Derzeit sind in Thüringen noch rund 20% der Einwohnerinnen und Einwohner noch nicht an eine dem Stand der Technik entsprechende Abwasserentsorgung angeschlossen. Dies betrifft ausschließlich den ländlichen Bereich.Bis 2030 sollen weitere rund 200.000 Einwohnerinnen und Einwohner in Thüringen an eine geordnete Abwassereinrichtung angeschlossen werden, so die Pläne der Thüringer Landesregierung.
Um dieses Ziel zu erreichen, wurde 2019 nach jahrelangem Streit das Thüringer Wassergesetz durch LINKE, SPD und B90/Grüne geändert und ein sogenannter Abwasserpakt zwischen Land und Kommunen abgeschlossen.
Seit Jahren wird darüber gestritten, welche technischen Systeme der Abwasserentsorgung zum Einsatz kommen sollen. Bis 2014 konnten sich CDU und SPD über eine diesbezügliche Strategie nicht einigen. Und auch Rot-Rot-Grün hat vier Jahre für einen Kompromiss gebraucht, der jedoch vor Ort nicht immer Begeisterung auslöste.
Bei den abwasserwirtschaftlichen Investitionen in Thüringen geht es um viel Geld. Bis 2018 wurden in Thüringen rund 5,5 Mrd. EUR in Abwasseranlagen investiert. Dabei kamen rund 1,8 Mrd. EUR Fördermittel zum Einsatz. Die von den Grundstückseigentümern gezahlten Abwasserbeiträge summieren sich auf inzwischen rund 1,5 Mrd. EUR. Da das Kostendeckungsprinzip besteht, werden letztliche alle notwendigen Investitionen abzüglich der Fördermittel über Beiträge und Gebühren von den Bürgerinnen und Bürger finanziert.
Welche technischen Abwasserbeseitigungskonzepte zum Einsatz kommen, entscheiden letztlich die kommunalen Aufgabenträger. Dies sind in Thüringen die Städte und Gemeinden, von den sich die Mehrzahl in über 50 Zweckverbände zusammengeschlossen haben.
CDU und SPD hatten es zunächst den kommunalen Aufgabenträger überlassen, welches technisches Abwasserbeseitigungskonzept zur Anwendung kommt. Diese „Freiheit“ haben viele Aufgabenträger genutzt, sich selbst aus der Verantwortung zu nehmen und dafür die Grundstückseigentümer
für die Abwasserbeseitigung verantwortlich gemacht. Überall dort wo nach Ansicht des Aufgabenträger ein Anschluss an eine kommunale Klaranlage unwirtschaftlich war, wurden die Grundstückeigentümer verpflichtet, eigene Kleinkläranlagen zu errichten. Damit wurde das seit 1992 angewandte Solidaritätsprinzip der gemeinsamen Finanzierung der Abwasseranlagen in dem Zuständigkeitsbereich eines Aufgabenträger einfach aufgekündigt.
Rot-Rot-Grün hat dieser „Flucht aus der Verantwortung“ durch die kommunalen Aufgabenträger zumindest eine deutliche Grenze gesetzt. Nach dem neuen Thüringer Wassergesetz müssen nun alle Aufgabenträger gemeindliche Gebiete mit mehr als 200 Einwohnern zwingend an eine kommunale Kläranlage anschließen. In gemeindlichen Gebieten mit weniger als 200 Einwohner gilt diese Pflicht auch, wenn dies aus wasserwirtschaftlicher Sicht notwendig ist, z.B. in Trinkwasserschutzzonen.
Zur Zeit müssen die Aufgabenträger ihre Abwasserbeseitigungskonzepte überarbeiten und darin begründet die Grundstücke ausweisen, die dauerhaft nicht an eine kommunale Kläranlage angeschlossen werden sollen. Die Überarbeitungsfrist wurde wegen der Corona-Kreise jetzt auf den 30. Juni 2021 verlängert. Erst dann kann gesagt werden, für welche Anzahl der Grundstücke grundstücksbezogene Kleinkläranlagen durch die Eigentümer selbst errichtet und betrieben werden müssen. Für diese Grundstücke hat Rot-Rot-Grün jedoch bereits seit 2019 die Förderung deutlich erhöht und zwar von bisher 1.500 auf 2.500 EUR pro Anlage.
Im Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün war eigentlich vereinbart, dass auch diese grundstücksbezogenen Kleinkläranlagen durch die kommunalen Aufgabenträger errichtet und betrieben werden. Damit sollte das bisherige Solidarprinzip erhalten bleiben. Gegen diese Pläne haben einige wenige Zweckverbände aus Ostthüringen mit abenteuerlichen Begründungen Widerstand geleistet und hatten damit leider auch Erfolg.
Dass der Anschluss an eine kommunale Kläranlage nicht immer konfliktfrei verläuft, belegt ein aktueller Fall aus dem Saale-Orla-Kreis, über den Wolfgang Kleindienst (langjähriger Vorsitzender der Thüringer Bürgerallianz für sozial-gerechte Kommunalabgaben und Regionalverantwortlicher des VDGN) informierte.
Der dortige ZV Orla weigert sich eine technische Lösung zu schaffen, die die Bürger nicht zusätzlich finanziell belastet. Gebaut werden soll eine Druckleitung von Kleindembach nach Pößneck zur dortigen zentralen Kläranlage. Um von den Grundstücken das Abwasser in diese Druckleitung einleiten zu können, sollen die Grundstückseigentümer auf eigene Kosten Hebeanlagen errichten. Diese kosten zwischen 3.000 € und 10.000 €.
Was die Bürger zurecht kritisieren, dass trotz vorhandenem Freigefälle das Abwasser zukünftig mit Hebepumpen den Berg herabgepumpt wird, und die Anschlusspflichtigen soll dafür auch noch bezahlen.
Unterstützt vom VDGN haben sich die Bürger nun an die Landesregierung und die Rechtsaufsichtsbehörden gewandt und fordern an anderes kostengünstigeres Abwasserkonzept.